Die Kant-Studien im Dritten Reich
von George Leaman, Bowling Green/Gerd Simon, Tübingen

Vorbemerkung1

Zunächst einige Worte zur Themenbegrenzung: Wir haben nicht vor, die Geschichte der Kant-Studien im Dritten Reich erschöpfend darzustellen, die Vor- und Nachgeschichte mehr als zu streifen, ja selbst auf einige Artikel oder gar auf das Grundkonzept der Zeitschrift in dieser Zeit mehr als beiläufig einzugehen. Wir wollen lediglich die Ereignisse hinter den Kulissen skizzieren, wie sie aus den Kant-Studien selbst unmittelbar nicht zu entnehmen und über weite Strecken allein durch gezielte Archivstudien zu rekonstruieren sind. Wir wollen also eine Hintergrundgeschichte liefern mit konturenhaft reduzierenden Zusammenfassungen im Wechsel mit anekdotischen Episoden und längeren illustrierenden Zitaten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Präsentation des mit historisch exakten Methoden ermittelten Ereignishergangs.
Die Einschätzung der Vorgänge will keine Analyse der in den Kant-Studien abgedruckten Artikel noch eine Würdigung der in ihnen zu Wort gekommenen durchaus heterogenen philosophischen Richtungen sein; dies bleibt mithin Desiderat der philosophiehistorischen Forschung.
Da wir nicht behaupten können, selbst in diesem Rahmen Vollständigkeit oder unumstößliche Erkenntnisse erzielt zu haben, bitten wir die Leser insbesondere bei den Faktenaussagen um Kritik und Ergänzungen. Die Kant-Studien waren bis zu ihrem vorläufigen Erliegen 1937 das Organ der 1904 gegründeten Kant-Gesellschaft, die sich wenig später selbst auflöste, um allerdings gleichzeitig als ,,Neue Kantgesellschaft" neu zu erstehen. Wir müssen also auch auf den bedingungsgeschichtlichen Aspekt der Trägergesellschaft eingehen. Wir beschränken unsere Ausführungen in diesem Punkte aber noch mehr als ohnehin angekündigt auf das unabdingbar Notwendige.
 

Die Kant-Studien von der Machtergreifung bis zur Selbstauflösung der Kant-Gesellschaft

Im Jahr der Machtergreifung, also vor 60 Jahren, starb der Begründer der Kant-Studien, der in Nehren bei Tübingen geborene Hans Vaihinger. Er hatte die Kant-Studien 1896 ins Leben gerufen.2 Zum 100. Todestag Kants, am 12. Februar 1904, bildete sich auf Anregung Vaihingers die Kant-Gesellschaft, als Träger-Gesellschaft der Kant-Studien. Nach dem 1. Weltkrieg initiierte dieser vielseitige und keineswegs auf Kant fixierte eigenständige Philosoph, ein früher Analysator der Verhexung des Verstandes durch die Metapher3, zusammen mit seinem Schüler Raymund Schmidt, von dem unten ausführlich die Rede sein wird, noch eine weitere Zeitschrift, die ,,Annalen der Philosophie".
1933 war der Berliner Ordinarius Arthur Liebert Herausgeber der Kant-Studien und Geschäftsführer der Kant-Gesellschaft. Ihm zur Seite stand in beiden Funktionen der Privatdozent Helmut Kuhn. Sie waren beide Juden und mußten emigrieren.4
Während aber Liebert 1933 nach Belgrad ging, blieb Kuhn zuerst noch in Deutschland, u. a. in der Funktion des Sekretärs der Kant-Gesellschaft, bis er am 30.6.35 gezwungen wurde, diese Position aufzugeben. 1937 emigrierte er nach Holland und von dort aus in die USA.5 Die Vorverhandlungen wegen der Nachfolge ziehen sich bis in den Krieg hin und entwickeln sich immer mehr zu einer im organisationsgeschichtlichen Bereich einzigartigen Farce.
Am 24. Mai 1934 wird – um den Niedergang der Kant-Gesellschaft aufzuhalten – erst einmal die Satzung geändert. Im Zweck-Paragraphen finden wir zusätzlich den Satz: Die Kant-Gesellschaft habe

,,in gleicher Weise der deutschen Philosophie in ihrem nationalen Leben wie der Mitwirkung und Geltung der deutschen Philosophie in der philosophischen Zusammenarbeit der Kulturvölker der Erde zu dienen."6

Man versäumt aber, die Satzung ordnungsgemäß anzumelden, so daß weiterhin die alte von 1904 gültig ist.7
Die Kant-Gesellschaft gerät Ende 1934 unversehens zwischen die Mühlen des Amtes Rosenberg,8 des Wissenschaftsministeriums, der Reichsschrifttumskammer (einer Institution des Propagandaministeriums) und des Auswärtigen Amtes. Den Anstoß liefert das Amt Rosenberg. Bei der Durchsicht der Namen der im Mai 34 gewählten Vorstandsmitglieder (Paul Menzer, o. Prof. Halle, Eduard Spranger, o. Prof. Berlin, und Martin Löpelmann, Ministerialtat im REM) könne ,,von einer äußeren und inneren Gleichschaltung der Gesellschaft keine Rede sein".9 Löpelmann, Altnazi seit 1.4.28, versteht die Zeichen der Zeit, legt prompt sein Mandat nieder10 und schlägt Reichsminister Rust vor, die Protektion der Kant-Gesellschaft persönlich zu übernehmen11. Spranger und mit Verzögerung Menzer, dessen Mitgliedschaft im Vorstand vermutlich der Hauptanlaß war, folgen diesem Schritt.
Die Kritik an diesem Vorgang in ausländischen Zeitungen (Kant mit Hakenkreuz, im Pariser ,,Impress"12, ... not Kant, but Rosenberg, im ,,New Statesman"13) wird trotz deren Verbot in Deutschland im Amt Rosenberg, im Auswärtigen Amt und im Wissenschaftsministerium aufmerksam registriert.14 Daß auch Abbestellungen und Austrittserklärungen nicht ohne Wirkung waren, zeigt der Fall des Luxemburgers Robert Mohrmann. Letzterer wörtlich:

,,Unterzeichneter hat für die nationalsozialistische Wirklichkeit, die blanker Terror, Unterbindung aller freien Meinungsäußerung, damit konsequente Erziehung zur Heuchelei und Unwahrhaftigkeit, tolpatschige Überheblichkeit bedeutet, so wenig Verständnis, daß er hierdurch die Bitte ausspricht, mit den Kant-Studien nicht weiter behelligt zu werden. [...] Es scheint, man hat keinen Sinn mehr für Persönlichkeit, sonst würde man die ehrwürdige Gestalt Kants nicht durch die komische Figur des Führers ersetzen."15

Der Brief landet über den Verlag, das Wissenschaftsministerium, das Auswärtige Amt und die Gesandtschaft bei der Luxemburgischen Regierung.16 Deren Staatsminister Bech nimmt sich Mohrmann vor. Letzterer entschuldigt sich, indem er in der Sache eher noch deutlicher wird: Es sei ein Anachronismus, die Lehre Kants nachträglich im Sinne einer späteren Doktrin zu modifizieren.
Natürlich reagierte man damals auch deswegen so nervös auf solche Briefe, weil sie zu einem Zeitpunkt eintrafen, als die größte internationale philosophische Gesellschaft gerade eine zuvor nie dagewesene dramatische Austrittsbewegung zu verzeschnen hatte.17 Die Gesellschaft schrumpfte in kurzer Zeit auf weniger als ein Drittel.18
Im Wissenschaftsministerium erkennt man spätestens im Januar 1935 ,,die große Gefahr, daß die Zweigstellen der Kant-Gesellschaft im Ausland sich selbständig machen und eine antideutsche Wissenschaftsfront bilden".19 Da man überdies eine ,,Arbeitsteilung zwischen der Deutschen Philosophischen Gesellschaft (Inland) und der Kantgesellschaft (Ausland)" ins Auge faßt,20 gerät die Kant-Gesellschaft jetzt erst recht in die Zwickmühle.
Man beobachtet Versuche, eine neue internationale Kant-Gesellschaft aufzuziehen, und vermutet dahinter nicht zu Unrecht Liebert und Helmut Kuhn; selbst Husserl und Driesch werden in diesem Zusammenhang genannt.21 Tatsächlich gründet Liebert 1936 in seinem Belgrader Exil die Gesellschaft ,,Philosophia".22 Seine gleichnamige Zeitschrift beginnt 1937 in mindestens 20 Ländern zu erscheinen.23 Die Befürchtung, daß die Krise der Kant-Gesellschaft diese Prozesse begünstigen würde, war früh vom Auswärtigen Amt geäußert worden.24 Da Liebert, Kuhn und Husserl ,,jüdischen Blutes" waren und die finanzielle Verschuldung der Kant-Gesellschaft eine nicht unerhebliche Rolle in ihrer Krise spielte, glaubt man an eine jüdische Verschwörung.25
Im Wissenschaftsministerium ist man von dem Niveau der Kant-Gesellschaft nicht sehr überzeugt:

,,Meines Erachtens sind Versuche, der Kantgesellschaft wieder einen internationalen Auftrieb zu geben, verfehlt. Die deutschen, noch völlig unausgegorenen philosophischen Meinungen sind der Weltöffentlichkeit gegenüber noch nicht vorzeigbar. Bei einer internationalen Diskussion würden wir sehr schlecht abschneiden. Die Philosophie soll meines Erachtens einstweilen auf den Universitäten bleiben und die Öffentlichkeit vermeiden. Das gilt in erster Linie auch für die Kantgesellschaft, deren philosophisches System teilweise mit Kant überhaupt nichts zu tun hat, sondern einen Mischmasch von positivistischen, empirischen, neukantianischen, idealistischen und materialistischen Vorstellungen darstellt. Mit dieser Gesellschaft kann man keine Kulturpolitik treiben. Insbesondere ist sie als Gegenaktion gegen die von Liebert in Belgrad mit 22 Auslandsortsgruppen ins Leben gerufene Gesellschaft ,Philosophia‘ nicht schlagkräftig genug. Ich möchte also der Kantgesellschaft raten, ihren Ehrgeiz, in der internationalen Wissenschaft eine Rolle zu spielen, einstweilen zu begraben und sich auf ernste wissenschaftliche Arbeit im Inland zu beschränken [...]."26

Hans Heyse, ab Juli 1935 mit der provisorischen Leitung der Kant-Gesellschaft beauftragt, hat trotzdem die

,,feste Absicht, nicht nur mit der liberalen Vergangenheit der Kant-Gesellschaft zu brechen, sondern auch positiv dazu beizutragen, dem neuen nationalsozialistischen Wollen in der Philosophie und Wissenschaft zum Durchbruch zu verhelfen."27

Auch sonst kann sich die vor allem von Baeumler im Amt Rosenberg vertretene Absicht, die Kant-Gesellschaft einschlafen zu lassen, selbst im Wissenschaftsministenum nicht durchsetzen.
Obwohl die Kant-Gesellschaft sich bis 1933 selbst finanzierte und als politisch unabhängig verstand, betont sie mehrfach, daß sie nach der Machtergreifung keinen wichtigen Schritt unternommen habe, ohne zuvor die Zustimmung des Wissenschaftsministeriums eingeholt zu haben.28 Die Probleme der Kant-Gesellschaft sind in beträchtlichem Maße also durch die Zustände in dieser Institution induziert.
Nach Lieberts Emigration und nach dem Rücktritt des im Mai 34 gewählten Vorstands Löpelmann, Spranger, Menzer werden allein im ersten Halbjahr 1935 zumindest folgende Personen für den Vorstand in der Kant-Gesellschaft ins Gespräch gebracht, angesprochen oder gar mit der provisorischen Leitung beauftragt: Emil Abderhalden, Carl August Emge (beide Januar 35), Erich Rothacker, Hans Freyer, Bruno Bauch, Hans Driesch, Nicolai Hartmann, Carl Schmitt, Eduard Spranger (abermals!), Alfred Baeumler, Hans Heyse (alle Mai 35), Ernst Krieck, Otto Koellreutter und abermals Löpelmann, selbst Pressechef Otto Dietrich und der für die Wissenschaft zuständige Abteilungsleiter im REM Eugen Mattiat (alle Juni 35).
Hans Heyse übernimmt den provisorischen Vorsitz auf Wunsch des Wissenschaftsministeriums im Einvernehmen mit dem Amt Rosenberg.29 Als ,,wissenschaftlicher Sekretär" dient ihm Gerhard Mollowitz.30 Die Geschäftsführung hat weiterhin Kurt Metzner inne. Metzner war Inhaber und Verlagsleiter des PAN-Verlages in Berlin, in dem die Kant-Studien danach erschienen. Ab dem 1.12.36 bis 30.4.41 war er hauptamtlicher Mitarbeiter der Reichsschrifttumskammer.31 Heyse versucht aber alsbald Metzner aus dem Vorstand zu drängen. Der Schuß geht nach hinten los. Noch ehe Heyse im Februar 1937 den Hut nimmt, werden erneut Namen genannt: Martin Heidegger als 1. Vorsitzender in der Runde einer Vielzahl von Vorstandsmitgliedern (Löpelmann, Koellreutter, Metzner, Stieve und Gaus – beide vom Auswärtigen Amt -, Vahlen vom Wissenschaftsministerium, sowie nicht genannte Vertreter der Reichsschrifttumskammer und des Amtes Rosenberg, überdies mehrere Ausländer in Absprache mit dem Auswärtigen Amt; insgesamt also ein ausgesprochen nach außenpolitischen Gesichtspunkten konstruierter Vorstand (Nov. 36).32 Wenig später kommen weitere Namen ins Gespräch, dabei auch altbekannte: Alfred Baeumler und Hans Heyse (Jan. 37), Ferdinand Weinhandl (Mai 37), Oskar Becker (Juli 37) und August Faust (Aug. 37). Faust will eine Reihe von ,,führenden nationalsozialistischen Philosophen" im Vorstand sehen und nennt Baeumler, Heyse, Krieck, eventuell Kurt Hildebrandt und Weinhandl.
Ende April 38 kommt es wegen der total verfahrenen Situation schlußendlich zur Auflösung der Kant-Gesellschaft, nachdem die Kant-Studien schon Anfang 1937 ihr Erscheinen eingestellt hatten. Zugleich beschließt die erste Mitgliederversammlung nach Mai 34 die Gründung einer ,,Neuen Kant-Gesellschaft" und beauftragt Metzner, den Leiter des Wissenschaftsamtes im Amt Rosenberg und späteren Leiter der ,,Hohen Schule (in Vorbereitung)", Baeumler für den Vorstand zu gewinnen, der über den Antrag ,,hocherfreut" ist, aber sich sehr lange ziert und zumal nach Ausbruch des Krieges offenkundig darauf setzt, daß alles in seinem Sinne einschlafen wird.
Die Reichspressekammer untersagt ab Januar 1939 die übliche Zwangsallianz zwischen Mitgliedschaft in einem Verband und Abonnement seines Organs, die dem Verband die Möglichkeit gab, die Mitgliedsbeiträge über das Abonnement einzuziehen.33 Das mindert natürlich die Motivation, die Kant-Studien wiederzubeleben. Das zusätzliche Eintreiben der Mitgliedsbeiträge erfordert nämlich neue finanziell belastende bürokratische Strukturen, vermutlich auch eine Aufstockung des Personals und damit eine drastische Erhöhung der Mitgliedsbeiträge mit der zu erwartenden Folge eines weiteren Mitglieder-Schwunds.
 

Der internationale Philosophenkongreß in Paris

Schon 1934 gab es Vorschläge, zwischen der ,,Deutschen Philosophischen Gesellschaft" und der Kant-Gesellschaft eine klare Arbeitsteilung herbeizuführen, die Deutsche Philosophische Gesellschaft auf die nationalen und die Kant-Gesellschaft auf die internationalen Aufgaben zu konzentrieren.34 In der Geschichte der Kant-Gesellschaft und der Kant-Studien gewannen entsprechend außenpolitische Erwägungen im Laufe der Zeit an Bedeutung. Das war nicht selbstverständlich. Insbesondere der NSD-Dozentenbund, in dem Hans Heyse eine nicht geringe Rolle spielte, hatte programmatisch die Ersetzung des Kongreßwesens durch Dozentenlager gefordert. Letztere hatten ihren Ursprung in der Jugendbewegung und gehörten35 schon in den 20er Jahren zum Programm der Volkshochschulbewegung. In der NS-Zeit wurden daraus Wehrsportübungen mit Selbstunterrichtung der beteiligten Dozenten. Solche Dozentenlager wurden zunächst vom Wissenschaftsministerium organisiert, später in die Regie des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbunds (NSDDB) gegeben, der sie alsbald in den Rahmen der NSD-Dozentenbundsakademie stellte, die 1937 an mehreren Universitäten gegründet wurden. Die NSDDB-Akademie in Göttingen leitete übrigens Hans Heyse.
Solche Akademien waren aber für internationale Aufgaben aus naheliegenden Gründen nicht geeignet. Der in den meisten Fächern in den Jahren 1934 – 39 zu beobachtende Rückgang des Kongreßwesens in Deutschland muß auf diese Bestrebungen des NSDDB zurückgeführt werden. Nicht zuletzt dürften auch die seltenen Tagungen der Kant-Gesellschaft hier eine Ursache gehabt haben. Umso aufmerksamer verfolgte man die internationalen Wissenschaftlerkongresse, die ja insbesondere, wenn sie von Ausländern und im Ausland veranstaltet wurden, nicht in dieser Weise zu beeinflussen waren. Der für die Philosophen wichtigste Kongreß war der 9. Internationale Kongreß für Philosophie, der Anfang August 1937 in Paris stattfand.36
Die Teilnahme am internationalen Kongreß war im damaligen Deutschland genehmigungspflichtig.37 Für jeden Kongreß bestellte das Wissenschaftsministerium einen ,,Delegationsleiter". Für den 9. Internationalen Kongreß für Philosophie war das wiederum Heyse. Als Presseberichterstatter auf Veranlassung von Baeumler38 und ,,Vertreter des stellvertretenden Vorsitzenden der Kantgesellschaft" (mit letzterem ist der Verleger Metzner gemeint) nimmt an dieser Tagung auch der junge Gerhard Lehmann teil, der 1943 Die deutsche Pbilosopbie der Gegenwart39 publizieren wird, eine Geschichte der neueren Philosophie aus der Sicht Rosenbergs, dessen Mytbus des 20. Jabrhunderts Lehmann als ,,den fachphilosophischen wie gegenwartsgeschichtlichen Bereich weit übersteigendes Werk" bezeichnet.40
Lehmanns Bericht über den Pariser Kongreß muß eher zur Gattung der verbandspolitischen Empfehlungen gerechnet werden, die lediglich einige Beobachtungen zum Ausgangspunkt nehmen.41 Es wird z.B. registriert, daß der Kongreß von zahlreichen Emigranten besucht war, ,,insbesondere von Herren aus dem früheren Vorstande der Kant-Gesellschaft: Liebert, Utitz, Kuhn, Pollak etc.". Vor allem die Juden hätten die Gelegenheit wahrgenommen, über die ,,neue ,Barbarei‘ [...] den Nationalsozialismus" herzuziehen.
Darüber hinaus gäbe es ,,zwei Kräfte, mit denen zu paktieren für den Neuaufbau der wissenschaftlichen Auslandsbeziehungen der Kant-Gesellschaft weder zweckmäßig noch möglich sein dürfte: die internationale französische Kulturpropaganda und der internationale Katholizismus". Auch sonst stünden fast alle auf der Tagung vertretenen Länder vor allem unter französischem Einfluß. Im Wissenschaftsministenum war man schon vorher zu einer weitergehenden Einschätzung gekommen:

,,Es gewinnt den Anschein, als ob es sich um Machenschaften der jüdischen Emigration zur geistigen Einkreisung Deutschlands handelt."42

Zumindest kann man davon ausgehen, daß Lehmanns Urteile im Wissenschaftsministerium in dieser Hinsicht einen gut präparierten Boden vorfanden.
Lehmann schlägt wegen dieser für die NS-Philosophie negativen Lage vor, die Verbandspolitik ,,anders als früher, vornehmlich auf den deutschen außenstaatlichen Kulturkreis abzustellen". Damit sind die Schweiz, Österreich und Ungarn gemeint. Zu dem Zweck sei es sinnvoll

,,die Herren: Grisebach, Schmalenbach, eventuell auch Häberlin (Schweiz), Saurer (Österreich), von Brandenstein (Ungarn), ferner holländische Hegelianer, z.B. Wigersma,43 unter Umständen auch den Berliner Ethnologen Prof. Thurnwald, der bei den Engländern sehr beliebt ist, für den Redaktionsausschuß der Kantstudien in irgendeiner Form heranzuziehen".44

Lehmann kommt zu der zusammenfassenden Empfehlung:

,,daß es im völkischen Interesse durchaus nötig ist, die Kantstudien und die Kantgesellschaft bewußt zu einem Instrument der deutschen Kulturpropaganda zu machen und daß der Weg dazu nur über die außerstaatlichen deutschen Kulturzentren gehen kann".45
 

Die Bemühungen der SS um die Übernahme der Kant-Studien

Im Dritten Reich war jeder mit Kulturpolitik Befaßte der Überzeugung, daß für Kontrolle und Förderung der Philosophie auf regierungsamtlicher Seite das Wissenschaftsministerium und auf parteiamtlicher Seite das Amt Rosenberg und dann allenfalls noch der NSD-Dozentenbund zuständig sei. In Einzelfällen schon vorher, ab 1935 regelmäßig und in zunehmendem Maße, ab 1940, spätestens jedoch 1942 tonangebend, mischte sich eine parteiamtliche Institution ein, die – wie auch ihr Name (,,Schutzstaffel") verriet – ursprünglich nur Schutzfunktionen haben sollte: die SS.
1935 gründete der Reichsführer der SS, Himmler, zusammen mit dem Reichsbauernführer und Landwirtschaftsminister Darré sowie dem holländischen Privatgelehrten Herman Wirth, die private Forschungsgemeinschaft ,,Das deutsche Ahnenerbe".46 Wirth, der erste Präsident dieser Forschungsgemeinschaft, steht schon sehr früh auf der Abschußliste, wenn er durch besondere Umstände auch erst drei Jahre später durch den Münchner Indoiranisten Walther Wüst ersetzt wird.47 Darré sieht sich nicht zuletzt durch Wirth betreffende Umstände an den Rand gedrängt. Im Februar 1938 kommt es auch zwischen Darré und Himmler zum Bruch.48 1940 wird das ,,Ahnenerbe" als „Wissenschaftsamt A" in Himmlers ,,Persönlichen Stab" integriert. Danach wird es nicht nur im geisteswissenschaftlichen Bereich zur größten nichtstaatlichen und mächtigsten Forschungsinstitution im Dritten Reich. In seinem Rahmen kommt es auch zu den Menschenversuchen Sigmund Raschers und August Hirts.49
Spätestens nach den ersten Kontakten mit Wüst gerät auch die Philosophie ins Visier dieser SS-Forschungsgemeinschaft. Wüst faßt schon 1936 seinen Münchner Kollegen Hans Alfred Gunsky als Leiter einer entsprechenden Abteilung ins Auge.50 Grunsky orientiert sich aber lieber an Rosenberg – er wird Hauptlektor in dessen Amt für Schrifttumspflege – , und so bleibt der Plan vorerst in der Schublade.
1936 ist auch ein Wandel in der Aufgabenstellung des Sicherheitsdienstes (SD) der SS zu beobachten.51 Im Inland wird mehr Wert auf Forschung gelegt. In der Unterabteilung III C 1 befaßt man sich spätestens seit Anfang 1939 auch mit Philosophie.52 Es spricht jedenfalls einiges dafür, daß die Pläne zur Übernahme der Kant-Studien durch eine zu dem Zweck im Rahmen des SS-Ahnenerbes aufzubauende Arbeitsgemeinschaft, wie sie Anfang 1939 spruchreif werden, von dieser Unterabteilung des SD aus initiiert wurden. Bevor wir diese These aber weiter erörtern, scheint es erst einmal wichtig, die Quellen der Reihe nach selbst sprechen zu lassen.
Mit dem Datum 27. Februar 1939 schreibt der wissenschaftliche Leiter des SS-Ahnenerbes, Walther Wüst, an einen anderen Münchner Kollegen mit dem Fach Philosophie, Kurt Schilling:

,,Ihre uns vorgetragene Absicht, die besten jüngeren philosophischen Forscher Deutschlands in einem Arbeitskreis ohne irgendwelche dogmatische Festlegung auf eine bestimmte Schule zu sammeln, findet unsere Zustimmung. Wir können darüber hinaus eine Förderung dieses Planes verheißen, wenn es gelingt, im Einklang mit den Grundsätzen des ,Ahnenerbes‘ zur wahrhaften Aneignung der großen Lehren der Vergangenheit auf dem Gebiet der Philosophie, die gemeinschaftliche Herausgabe einer neuen Geschichte der nordisch-abendländiscben Philosophie in Einzeldarstellungen von den Anfängen bis Nietzsche zu sichern. Die Übernahme einer Zeitschrift und weitere Arbeiten hätten sich aus dieser Arbeit zu entwickeln."53

Ein Schriftstück, dem die ,,vorgetragene Absicht" zu entnehmen gewesen wäre, ist nicht überliefert. Vermutlich gab es dieses auch nicht. Die Vorgeschichte, auf die sich dieses Schreiben bezieht, dürfte eher ein Gespräch gewesen sein, dessen erster Teil aus durchsichtigen Gründen auch weggelassen sein könnte, insbesondere wenn in ihm Wüst seinen Kollegen so lange überredet hat, bis er die Absichtserklärung gab. Auch im Dritten Reich machte sich etwas besser, wenn es gleichsam von der Basis kam.
Kurt Schilling, nach einem ersten, durch Eduard Spranger zu Fall gebrachten Anlauf in Berlin bei dem nichtarischen Neukantianer Richard Hönigswald54 1932 habilitiert, hatte zu diesem Zeitpunkt in München eine Stelle als nichtbeamteter außerordentlicher Professor inne. Er war führend im NSD-Dozentenbund an der Universität München tätig. Auf Grund seiner bis dahin erschienenen Monographien und zahlreichen Beiträge in Fachzeitschriften und Sammelwerken wurde er manchmal als Hegelianer, manchmal als Heideggerianer eingeschätzt.55
Das soeben wiedergegebene Zitat läßt vermuten, daß wir hier der Keimzelle des 1943 in erster Auflage erschienenen Hauptwerks Schillings, der Geschichte der Philosophie, sehr nahe sind; nur daß das alles offenbar anfangs als Gemeinschaftswerk geplant war. Schillings Bemühungen, jüngere Kollegen für das Projekt zu gewinnen, scheitern nämlich trotz einiger Zusagen.56 Gerhard Krüger und Hans Georg Gadamer sagen ab. Otto Friedrich Bollnow und Joachim Ritter trifft Schilling nicht an. Karl Schlechta, Heinz Ludwig Matzat, Matthias Bröcker, Hans Lipps, Werner Hubert Luschka und Gerhard Mollowitz sagen zwar zu, deuten aber fast ausnahmslos – wie Schilling es ausdrückt –

,,teilweise persönliche, teilweise berufliche Gründen [an], die sie von der sofortigen Übernahme einer größeren Arbeit abhalten. Eine Durchführung des ursprünglichen Planes ist somit nicht möglich [...]."

Schilling schlägt sodann vor, noch weitere Kollegen – er denkt über die Nicht-Angetroffenen hinaus an Helmut Schelsky, Hans Behrens, Justus Schwarz und Oswig Schnaar – für das Vorhaben zu gewinnen, und vor allem die Vorgehensweise zu ändern:

,,Als Arbeitsplan wird zunächst die Übernahme der vor zwei Jahren eingegangenen ,Kantstudien‘ aufgestellt [...]"

Schilling hat seine Informationen über die Kant-Gesellschaft und die Kant-Studien von dem Heyse-Assistenten Mollowitz, der in der Zeit vor Einstellung der Kant-Studien 1937 deren letzte Hefte in Heyses Auftrag faktisch besorgt hatte. Schilling übernimmt Heyses und Mollowitzens Einschätzung der Person Metzners und schlägt stattdessen den Verlag Klostermann als neuen Verleger vor:

,,Herr Klostermann ist mit persönlich bekannt als sehr tüchtiger anständiger Mann, er gibt ohnehin schon Bücher des Ahnenerbes heraus und er hat heute wohl den besten philosophischen Verlag in Deutschland."

In einer ,,Beilage" zu den ,,Vorschlägen" kolportiert Schilling Mollowitzens Auffassung, Metzner habe in der Kant-Gesellschaft ,,eine sehr dunkle Rolle gespielt":

,,Er hat niemals Prof. Heyse Einblick in seine Geschäftsführung gestattet, sogar ihm das Betreten seiner Geschäftsräume verweigert. Er soll ferner sich an der Herausgabe der Zeitschrift über Gebühr bereichert haben."

Schilling rät in diesem Zusammenhang nicht nur einfach von Metzner ab. In Schillings Welt spielt jedenfalls der Sicherheitsdienst eine selbstverständliche Rolle:

,,Es wäre aber vielleicht darüber hinaus ratsam, die Akten der ,Kantstudien‘ bei Metzner ohne vorherige Ankündigung durch den S.D. sicherstellen zu lassen, um festzustellen, ob diese Vorwürfe gegen Metzner berechtigt sind und eventuell ein Druckmittel gegen ihn in der Hand zu halten, wenn er der Neuherausgabe Schwierigkeiten machen sollte."

Auch sonst entbehren Schillings Ratschläge nicht einer für einen Philosophen erstaunlichen politischen Professionalität. Das ,,Ahnenerbe" solle mit Harmjanz vom Wissenschaftsministerium wegen der Kant-Studien verhandeln. Löpelmann solle vor der Sicherstellung der Akten bei Metzner nicht eingeweiht werden, weil er mit diesem entfernt verwandt sei.
Als Kurt Schilling Anfang 39 sich anschickt, jüngeren Kollegen zu einem Arbeitskreis im Rahmen des ,,Ahnenerbes" der SS zusammenzufassen, ist immer noch nicht gesichert, daß die Neue Kant-Gesellschaft die Kant-Studien herausgibt. Es wäre keineswegs ausgeschlossen gewesen, daß die SS mit den ihr eigenen Methoden der Gewalt diese Zeitschrift in ihre Obhut gebracht hätte. Den inzwischen auch gesundheitlich stark angeschlagenen Verleger Metzner auf die Nase fallen zu sehen, wäre bei den vielen Feinden, die er sich inzwischen gemacht hatte, ein Leichtes gewesen. Wahrscheinlich war das Endziel, die Kant-Studien in SS-Botmäßigkeit zu bringen, der Hauptgrund für das Interesse des ,,Ahnenerbes" an dem philosophischen Arbeitskreis. Es ist anzunehmen, daß die am 24. April 1941 von ihrem Kurator Wüst offen ausgegebene Devise schon zwei Jahre vorher insgeheim manche wissenschaftspolitische Aktivitäten dieser parteiamtlichen Forschungsgemeinschaft steuerte.

,,Wenn bekannt wird, daß eine Zeitschrift den Herausgeber oder Besitzer wechselt, ist sofort er [gemeint ist Wüst] oder der Reichsgeschäftsführer [gemeint ist Sievers] hiervon zu verständigen. Wenn die Zeitschrift einigermaßen mit unseren [d.h. des Ahnenerbes] Zielen und Aufgaben zusammenhängt, könnte sie übernommen werden."

Daß es aber nicht zur Übernahme der Kant-Studien durch das ,,Ahnenerbe" kam, dürfte an dieser parteiinternen Wissenschaftseinrichtung selbst gelegen haben. Der ,,Ahnenerbe"-Geschäftsführer Sievers jedenfalls liest aus Schillings Bericht heraus, daß die Sache noch nicht reif ist. Vermutlich lag Sievers auch der unter Philosophen übliche, stets alles zur Disposition stellende, zögerliche Diskurs in Schillings Bericht wenig. Dem Sicherheitsdienst gegenüber läßt Sievers einiges durchblicken:

,,Aus dem letzten Schreiben des Prof. Dr. Schilling geht für uns leider hervor, daß daraus viel Intellekt, aber nicht genügend Stoßkraft spricht. Das Prof. Schilling von hier aus übertragene Probestück wird deshalb als unzureichend gelöst betrachtet, so daß vorläufig auf die Errichtung einer ,Lehr- und Forschungsstätte für Philosophie‘, so notwendig sie an sich ist, leider verzichtet werden muß."

Daß das ,,Ahnenerbe" dem SD stets eine Abschrift von den im Rahmen eines Projekts entstandenen Schreiben zugehen ließ, war keineswegs selbstverständlich. Es ist das ein weiteres Indiz dafür, daß der Plan zur Übernahme der Kant-Studien durch eine SS-Institution ursprünglich in der Wissenschaftsabteilung des SD ausgebrütet wurde. Ein ähnliches Zusammenspiel zwischen ,,Ahnenerbe" und SD ist im Falle eines ähnlich gelagerten germanistischen Projekts der unmittelbar vorhergehenden Zeit zu vermuten.57 Auf einer Besprechung des SD mit dem „Ahnenerbe" vom 1.9.38 zeichnet sich zwar letzteres Projekt, nicht aber eine philosophische Arbeitsgemeinschaft ab.58
 

Ein gedrucktes, aber nicht veröffentlichtes Heft 1 des Bandes 42 der Kant-Studien

Zählen gehört bekanntlich nicht zu den Stärken von Schriftleitern und Herausgebern. Es ist keineswegs einzigartig, insbesondere wenn am Titelblatt oder am Zeitschriftenkopf nicht viel zu ändern war, daß eine Heftnummer oder Jahreszahl bei der Übernahme ins nächste Heft versehentlich stehenblieb, so daß insbesondere der Abonnent erstaunt zwei verschiedene Hefte mit der gleichen Nummer in Händen hält. Die weltweit meistverkaufte philosophische Zeitschrift, die die Kant-Studien seinerzeit waren, hat in dieser Hinsicht, allerdings durch zeitweises Nicht-Erscheinen bedingt, ein wohl einzigartiges Kuriosum hervorgebracht: Von Heft 1 des Bandes 42 wurden nämlich gleich drei verschiedene Fassungen gedruckt. Die erste Fassung erschien 1937 und war das vorläufig letzte Heft vor der Selbstauflösung der Kant-Gesellschaft. Wer heute einen kompletten Bestand der Kant-Studien erstehen will, sein eigen nennt oder in einer öffentlichen Bibliothek vorzufinden meint, sollte zumindest darauf achten, daß ihm nicht das Heft 1 des Bandes 42 mit der Jahreszahl 1942/43 entgeht, das von August Faust, Hans Heyse, Ferdinand Weinhandl und Günther Lutz ediert wurde. Es gibt darüber hinaus aber noch eine dritte Fassung oder – wenn man es chronologisch betrachtet – zweite mit der Jahreszahl 1941/42, von dem Vaihinger-Schüler Raymund Schmidt herausgegeben, von dem das Titelblatt, das Vorwort und ein Artikel (Hermann Schwarz: Gedanken um Ekkehart den Deutschen) im Potsdamer Bundesarchiv überliefert sind, das aber vermutlich nie ins Publikumsstadium gedrungen ist. [Faksimile des Titelblatts: Siehe KS 85, Heft 4, 1994, S.457.]
Die Umstände, wie es zu dieser letztgenannten Fassung kam, liegen nahezu völlig im Dunkeln. Das einzige, was wir in Erfahrung bringen konnten, betrifft die Person des Herausgebers. Raymund Schmidt, geboren am 17.7.1890, studierte in Leipzig Philosophie, Kunst- und Literaturwissenschaft, promovierte während des 1. Weltkriegs über Kunst, betätigte sich nach Kriegsende als freiberuflicher Schriftsteller, gab philosophische Klassiker (Kant, Lotze, Fichte) sowie die ,,Annalen der Philosophie" (= ,,Forum philosophicum") heraus und arbeitete seit 1929 am Reichssender Leipzig.59 Der Psychologe Hans Volkelt, sein wichtigster Lehrer Hans Vaihinger und der Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald verhelfen ihm zu einer USA-Reise. Im Januar 1933 beantragt Schmidt die Aufnahme in die NSDAP. In Leipzig ist er als Blockleiter, Kulturwart, Schulungs- und Propagandaleiter und seit 1936 als ehrenamtlicher Vertrauensmann im Sicherheitsdienst tätig. 1939 wird er zum Obmann der Reichsschrifttumskammer für den Kreis Leipzig ernannt. 1943 erhält er einen Lehrauftrag für Philosophie an der Technischen Hochschule Dresden.60 Nach einem Schreiben des Verlegers Bimbach,61 der den PAN-Verlag und damit die Rechte an den Kant-Studien inzwischen übernommen hatte, an das Wissenschaftsministerium war dieses Heft schon seit August 1940 vorangekündigt. Es war im Juli1941 zwar noch nicht fertig; aber es lagen schon Beiträge von Herbert Cysarz, Hermann Schwarz, Franz Hlucka und Ernesto Grassi druckfertig vor62 bzw. waren ,,im Satz fertiggestellt".63 Aus dem gleichen und aus einem weiteren Schreiben Birnbachs an das Wissenschaftsministerium geht hervor, daß die Wirtschaftsstelle des Deutschen Buchhandels die Papiergenehmigung nicht erteilte:64 ein keineswegs unüberwindliches Hindernis, insbesondere für Leute, die über Beziehungen zum SD verfügten, zumal Wissenschaftsministerium und Auswärtiges Amt alsbald ihr Plazet erteilten.65 Aus späterer Zeit wird außerdem berichtet, daß sämtliche Exemplare eines nicht eindeutig zu identifizierenden Heftes der Kant-Studien zu einer nicht genau angegebenen Zeit Opfer eines Bombenangriffs wurden.66 Da die eigentliche Bombardierung Sachsens durch die Alliierten erst nach 1942 einsetzte67 und die Archivalien sich darüber ausschweigen, ist es wenig wahrscheinlich, daß wir diese Information auf das von Schmidt herausgegebene Heft anwenden müssen.
Bei den Beiträgen von Hlucka und Grassi handelt es sich vermutlich um die gleichen, die dann in dem Heft 1 mit der Jahreszahl 1942/43 publiziert wurden. Warum die Beiträge von Cysarz und Schwarz auch später nie in den Kant-Studien erscheinen, entzieht sich unserer Kenntnis. Das im heutigen Bundesarchiv in Potsdam liegende Exemplar des gesetzten, aber nie veröffentlichten Beitrags von Hermann Schwarz ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das einzige überlieferte.68
Zur Frage, was zum Wechsel in der Herausgeberschaft führte, sind leider auch nur Vermutungen möglich. Es spricht einiges dafür, daß entweder das Wissenschaftsministerium oder das Auswärtige Amt Bedenken angemeldet hat. Aus Schmidts Feder stammte der kraß rassistische Artikel Das Judentum in der deutschen Philosophie in der Neuauflage von Theodor Fritschs berüchtigtem Handbuch der Judenfrage.69 In diesem Artikel zog Schmidt auch über die von seinem Lehrer gegründeten Kant-Studien und die Kant-Gesellschaft her. Liebert habe zwar das von Schmidt in Anführungsstriche gesetzte ,,Verdienst" an dem Aufstieg von Zeitschrift und Gesellschaft in der Weimarer Republik zu den ,,führenden und international einflußreichsten" ihrer Art, aber ,,auf Kosten der Idee". Sie seien auf Grund seiner Werbetätigkeit ,,immer jüdischer durchsetzt und weltanschaulich immer buntscheckiger" geworden:

,,So wurde die deutsche Philosophie im Namen Kants zu einem jüdischen Geschäftsunternehmen von internationalem Ausmaß. Daß sich unter solchen Umständen auch die Lehrstühle für Philosophie in Deutschland immer stärker mit Juden füllten, denn Philosophie wurde zu einem einträglichen Geschäftsunternehmen, und daß die deutsche Philosophie dabei immer mehr an Gesicht verlor, versteht sich am Rande. Es gab schließlich in Deutschland genauso viel philosophische Richtungen wie es Lehrstühle und Unterlehrstühle gab. Sie alle (unter Bevorzugung der Juden Simmel, Cohen, Husserl, Cohn, Falckenberg, Juel, Scheler usw.) und ihre Schüler legten ihre philosophischen Erzeugnisse in den Kantstudien und verwandten Organen nieder, ohne daß mit dieser literarischen Geschäftigkeit die ,deutsche‘ Philosophie als Ausdruck des arischen Menschentums, als Weltanschauungshilfe auch nur um einen Deut gefördert wurde. Es gehörte zwar zum guten Ton, Mitglieder der Kant-Gesellschaft zu sein und jährlich vier starke Hefte von wissenschaftlich aufgebauschten philosophischen Belanglosigkeiten und lebeosfernen Begriffsspielereien, sowie eine große Zahl von Ergänzungsheften zu beziehen. Leser aber hat diese verbreitetste philosophische Zeitschrift nur wenig gefunden (man kann sie noch heute unaufgeschnitten in den Bücherschränken der sogenannten Gebildeten stehen sehen), und Einfluß auf die Lebensgestaltung des deutschen Menschen hat sie bestenfalls insofern gehabt, als der weltanschaulich Interessierte es aufgab, seinen Bedarf an Anregungen bei der deutschen wissenschaftlichen Philosophie zu decken. – Natürlich blieb diese Verjudung der Kant-Gesellschaft und damit des deutschen Geisteslebens nicht verborgen, und es hat in den letzten Jahrzehnten manche Stürme deswegen hinter den Kulissen der Geschäftsführung gegeben.[...]"70

So wenig Widerspruch diese Worte damals in Deutschland fanden, so gemäßigt im Vergleich dazu der Ton in dem Vorwort von Heft 42,1 mit der Jahreszahl 1941/ 42 ausfiel, der Hinweis auf nur einige Passagen wie die oben zitierten aus Schmidts Handbuch-Artikel hätte die Realisierung des Hauptziels des Neuerscheinens der Kant-Studien zweifellos nicht wenig in Frage gestellt. Hatte doch selbst der Verlag betont, daß er ,,die Zeitschrift nicht aus gewinnsüchtigen Motiven neu erstehen läßt, sondern unter schwierigen Verhältnissen mitten im Kriege versucht, eine wissenschaftliche Verbindung mit Hilfe dieser Zeitschrift auch zum Ausland vorzubereiten und neu anzuknüpfen".71 Im Ausland – das war den Nationalsozialisten nicht entgangen – stießen rassistische und speziell antisemitische Äußerungen aber einhellig auf Widerspruch.
Da das Vorwort zur Fassung 42/1 (1941/42) nicht publiziert worden und der Zugang zu den Archiven nach wie vor nicht einfach ist, sei es hier vollständig wiedergegeben:72

,,Seit einer Reihe von Jahren fehlt es in Deutschland an einer Zeitschrift, welche, ohne Festlegung ihres Programmes auf eine Sonderrichtung, sich in den Dienst der Gesamtheit des philosophischen Schaffens stellt, in welcher der jeweilige Stand des philosophischen Faches zum Ausdruck kommt, und welche sich zugleich über den engeren Kreis der Forschung hinaus an alle diejenigen wendet, die einen tieferen Anteil an der Entwicklung der wissenschaftlich gehandhabten philosophischen Problematik nehmen.
Diese Rolle war im Anfang unseres Jahrhunderts den ,Kant-Studien‘ zugefallen, nachdem sich diese Zeitschrift von ihrer ursprünglichen Beschränkung auf die Erörterung der durch Kants Lebenswerk bedingten Fragestellungen losgelöst hatte und zum Organ der größten philosophischen Gesellschaft der Erde geworden war. Die Kant-Studien konnten sich, getragen von dieser international verzweigten Vereinigung philosophisch Interessierter, weit über Deutschlands Grenzen hinaus verbreiten. Sie galten lange Zeit als das repräsentativste Organ der deutschen philosophischen Wissenschaft und erwiesen sich zugleich als höchst wirkungsvoller Vermittler eines Gedankenaustausches zwischen den Kulturnationen auf der Grundlage einer zuchtvollen philosophischen Besinnung.
Zu den Nebenerscheinungen des Umbruches, der, von den autoritären Staaten ausgehend, Europa erschütterte, und dessen tiefer Sinn in einer sich anbahnenden Neuordnung der geistigen Beziehungen innerhalb der Völker und zwischen den Völkern immer deutlicher in die Erscheinung tritt, gehörte es auch, daß die Kantgesellsehaft sich auflöste und das Erscheinen der Kant-Studien eine Unterbrechung erfuhr.
Zwischen dem letzten Heft der alten und dem ersten Heft der neuen Folge dieser Zeitschrift liegt also eine schöpferische Pause von mehreren Jahren, welche für die philosophische Forschung insofern fruchtbar war, als es für viele ihrer Vertreter Jahre der Einkehr und inneren Wandlung, des Empfangens neuer Denkanstöße, der Entdeckung neuer Gewißheiten und der Erprobung neuer Forschungsmethoden gewesen sind.
Wenn nun heute der Versuch gemacht wird, die Kant-Studien in das Getriebe der philosophischen Literatur wieder einzuschalten und ihr eine führende Rolle im Geistesleben Deutschlands und der Welt zuzuweisen, so war dafür die Überzeugung maßgebend, daß der angedeutete Gärungs- und Läuterungsprozeß in ein Stadium eingetreten ist, in dem sich die Züge eines grundsätzlich ,Neuen‘ erkennbar abzuheben beginnen. Dieses ,Neue‘ läßt sich durch den Satz umschreiben: die Philosophie hat aufgehört, eine Sache um ihrer selbst willen zu sein, sie hat begonnen, im Zusammenhang der einzelnen Kulturgebiete sowie im Leben der Gemeinschaften und im Leben der Völker eine sinnvolle Funktion anzustreben und auszuüben. Das neue Lebensgefühl, das neue Urwissen über die Beziehungen des Einzelnen zum Ganzen, der kämpferische Geist, das neue Wertgefüge, welche im politischen Geschehen zur Geltung gekommen sind, haben sich auch des philosophischen Fachgebietes bemächtigt und beginnen in charakteristischer Weise die philosophische Aussprache unserer Tage zu färben.
Zum Sprachrohr dieses ,Neuen‘, bei voller Berücksichtigung alles dessen, was aus der Vergangenheit als ewig wertbeständig auf uns gekommen ist, versucht sich die Neue Folge der Kant-Studien zu machen, nicht um es durch eine voreilige und zuweit getriebene denkerische Analyse zu zersetzen und zu entkräften, sondern um ihm Gelegenheit zu geben, in der Aussprache zu reifen und im Leben der Völker wirksam zu werden.
Es ist unfruchtbar, ein Werdendes mir überkommenen Maßstäben zu messen und ihm Programme vorzuschreiben. Man muß es wachsen und sich entfalten lassen. Aus diesem Grunde tritt der Herausgeber der Neuen Folge der Kant-Studien nicht mit einem scharf umrissenen Programm an die Öffentlichkeit, sondern mit der Erklärung seiner Bereitwilligkeit, eine Art Treuhänderschaft der aktuellen philosophischen Entwicklung gegenüber zu übernehmen, soweit eine Zeitschrift, welche zwischen den Werkstätten der Forschung und der philosophisch interessierten Laienwelt vermitteln will, eine solche Funktion ausüben kann.
Herausgeber und Verlag sind sich also darin einig, daß es die Aufgabe der Neuen Folge sein wird:
1. zur Klärung und Sicherung dessen beizutragen, was an philosophischen Stellungnahmen und Lösungsversuchen der Vergangenheit auch heute noch Beachtung und Geltung hat;
2. einer Vielzahl von Fachschriftstellern zur Verfügung zu stehen, soweit sie zu den Fragestellungen und Lösungsversuchen der Gegenwartsphilosophie Wesentliches zu sagen haben;
3. die Aussprache auf den verschiedenen philosophischen Fachgebieten zu beleben und so zu steuern, daß als Endergebnis eine Hinwendung der Philosophie zum Leben und ein geordnetes Zusammenspiel der philosophischen Begabungen und Strömungen sichtbar wird;
4. der Zersetzung, dem Zerfall und der Zersplitterung auf dem Gebiete der philosophischen ,Kritik‘ zu begegnen;
5. durch die Bevorzugung lebens- und zeitnaher Themen, sowie durch die Pflege einer anschaulichen Darstellungsart auch bei der Behandlung streng theoretischer Fragen ohne Verzicht auf wissenschaftliche Gediegenheit und Tiefe das Optimum einer Breitenwirkung für die ,Königin der Wissenschaften‘ anzustreben.
Leipzig, im Februar 1941  Der Herausgeber"

Die Vermutung, daß sich hinter dem geschilderten Publikationsversuch der SD versteckt, läßt sich allerdings vorläufig allein an dem Umstand festmachen, daß der Herausgeber langjähriger Mitarbeiter des SD war.
 

Neue Konkurrenz

Der Kriegsbeginn löste zunächst allgemein Ängste, vor allem unter den Geistes-wissenschaftlern aus, daß ihre Forschungen nicht mehr gefördert und veröffentlicht würden, daß insbesondere die Fachzeitschriften ihr Erscheinen einstellen könnten.73 Nach den Blitzkriegcn verkehrten sich diese Ängste in eine richtige Planungseuphorie. Diese scheint auch die Philosophen erfaßt zu haben. Neben den bereits bestehenden philosophischen Zeitschriften: ,,Blätter für deutsche Philosophie", hg. von Heinz Heimsoeth und der 1917 gegründeten, nach dem Tode von Bruno Bauch von Arnold Gehlen geleiteten ,,Deutschen Philosophischen Gesellschaft", und ,,Zeitschrift für Deutsche Kulturphilosophie. Neue Folge des Logos", hg. von Hermann Glockner und Karl Larenz74 (von den Emigrantenzeitschtiften wie ,,Philosophia" und ,,Erkenntnis" sei in diesem Zusammenhang abgesehen), gab es ab 1940 einige Pläne, philosophische Zeitschriften zu gründen.75 Auf zwei dieser Pläne sei hier kurz eingegangen, weil sich von ihnen aus Bezüge zu den Kant-Studien herstellen lassen:
1. Der ,,Wessobrunner Verlag" stellt im Januar 1941 den Antrag auf Genehmigung der ,,Deutschen Zeitschrift für wissenschaftliche Philosophie". Als Herausgeber ist der Entomologe und Naturphilosoph Eduard May vorgesehen. Er wird später Leiter der Entomologischen Abteilung im Rahmen der Forschungsstätte für Wehrwissenschaftliche Zweckforschung des „Ahnenerbes" der SS. Möglicherweise haben wir es hier also mit einem weiteren Unternehmen der SS zu tun mit dem Ziel, stärkeren Einfluß auf die Philosophie zu gewinnen. Das erste Heft der wiedererschienenen Kant-Studien enthält übrigens einen Artikel von May.76
2. An einem weiteren Zeitschriften-Plan, von dem vermutlich Günther Lutz vom Propagandaministerium wußte, war zumindest die Reichsstudentenführung beteiligt. Nach Lutz sollte die ,,Zeitschrift für systematische Philosophie" von Fritz Kubach, Copernicus-Forscher und Vertreter der ,,Deutschen Mathematik", und Hugo Dingler, Vertreter der ,,Deutschen Physik" und Wissenschaftstheoretiker, im Verbunde mit Pascual Jordan und Carl Friedrich von Weizsäcker herausgegeben werden, wovon mindestens letzterer erst durch uns erfuhr. Günther Lutz verwendet den Hinweis auf dieses Zeitschriften-Unternehmen als Druckmittel auf das Amt Rosenberg, um bei der Wiederbelebung der Kant-Studien mitzuwirken.
 

Die Revitalisierung der Kant-Studien

Archivalien der Provenienz ,Kant-Gesellschaft‘ nach deren Auflösung 1938 liegen uns nur spärlich vor. Das läßt viele Deutungen zu. Vorläufig vermuten wir, daß die bisherige zirkuläre Verbandspolitik der beteiligten Machtfaktoren:
1. der Reichsschrifttumskammer des Propagandaministeriums mit dem Votum, erst einmal die Finanzverhältnisse der Kant-Gesellschaft zu ordnen,
2. des Wissenschaftsministeriums, dessen Prioritäten bei der Vorstandsbildung liegen,
3. des Amtes Rosenberg, das hinhaltend bis destruktiv aus dem Hintergrund wirkt, einem Lahmlegungseffekt erzeugte, daß sich also wirklich nichts tat, bis der neue Verleger der Kant-Studien, Birnbach, 1941 die Sache in die Hand nahm. Von Schillings Aktivitäten werden mit Sicherheit viele Philosophen und damit vermutlich auch die zuständigen Dienststellen gewußt haben. Diesen wird aber auch nicht entgangen sein, wie kläglich sie noch im Frühjahr 1939 scheitern. Immerhin wird diese Dienststellen spätestens Birnbachs Initiative in Alarmbereitschaft versetzt haben, unabhängig davon, ob sie den SD dahinter vermuteten oder nicht.
Als die Kant-Studien 1943 wieder erscheinen – das Erscheinungsdatum von Band 42, Heft 1 (1942/43), verschleiert auf durchsichtige Weise, daß es frühestens im August, vermutlich erst Mitte September 1943 wirklich im Handel war77 – , präsentieren sie sich offen als Werk des Amtes Rosenberg.78 Der Leiter des Hauptamts Wissenschaft im ARo übersendet dem Leiter der Wissenschaftsabteilung im REM die neuen Kant-Studien mit den Worten:

,,Als Beitrag der deurschen philosophischen Arbeit zur geistigen Neugestaltung Europas hat sich auf unsere Anregung hin ein Kreis von Philosophen zusammengefunden in dem Entschluß, die bedeutendste philosophische Zeitschrift, die ,Kant-Studien‘, in neuer Gestalt herauszugeben. Wir glauben, auf dieses Unternehmen hinweisen zu dürfen, da hier ein Organ entstanden ist, das im besonderen diejenigen Kräfte zu Wort kommen läßt, welche ein Bewußtsein von der großen geschichtlichen Aufgabe und Verantwortung der philosophischen Arbeit in der Gegenwart besitzen."79

Herausgeber dieser letzten Version von Band 42, Heft 1 waren – wie erwähnt – August Faust, Hans Heyse, Günther Lutz und Ferdinand Weinhandl. Sie stehen in der Tat in Beziehung zum Amt Rosenberg, wenn auch auf unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichem Maße.
August Faust (geb. 24.7.1895) habilitierte sich 1927 in Tübingen und war dann Privatdozent und Assistent am Philosophischen Seminar in Heidelberg bei Heinrich Rickert, bevor er am 16.6.1933 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor der Philosophie und Pädagogik ebenda und am 1.4.1935 in gleicher Funktion in Tübingen ernannt wurde.80 Am 1.1.1937 wurde er ordentlicher Professor in Breslau. Noch am 15.9.33 wurde Faust ,,trotz einer schweren Kriegsverletzung" 38jährig Mitglied der Hitlerjugend. Am 30.1.37 wurde er im Deutschen Jungvolk der HJ ,,Fähnleinführer" und Sozialreferent. Seit 19.7.34 war er Mitglied des Nationalsozialistischen Lehrerbunds sowie in Heidelberg Fachschaftsleiter der Dozentenschaft und von der Gründung des NSD-Dozentenbunds 1934 an Mitglied der Reichsdozentenführung (in der Breslauer Zeit als Gauschulungsleiter des NSDDB). Am 1. Mai 1937 trat er der NSDAP bei. Das Wissenschaftsministerium betrachtete Faust als ,,Sprachrohr" des Amtes Rosenberg an der Universität Breslau". Als Schüler von Heinrich Rickert lagen seine philosophischen Hauptinteressen in der Transzendentalphilosophie Kants und Fichtes, der Philosophiegeschichte und der politischen Pädagogik. Während des Krieges beteiligte er sich maßgeblich ,,als Treuhänder von Weinhandl" am ,,Kriegseinsatz der Philosophen" und brachte im Rahmen dieser Sub-Institution des vom Wissenschaftsministerium 1940 gegründeten ,,Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften" Das Bild des Krieges im deutschen Denken heraus. Er ist Verfasser einer Pbilosophie des Krieges. Er veranstaltete eine Böhme-Ausgabe, von der er 1943 Rosenberg drei Bände schenkt, die aber eigentümlicherweise nicht im Buchhandel erschien. 1944 ist er für das Thema ,,Glaubensformen im Reich" in einer vom SD initiierten Kleinbuchreihe (,,Das Reich") vorgesehen. Er wirkt zentral mir an Rosenbergs ,,Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der bolschewistischen Weltgefahr". 1945 begeht er nach der Besetzung Breslaus durch die sowjetische Armee Selbstmord.
Zu Heyse haben wir bereits sehr viel gesagt. Hier darum nur einige Ergänzungen. Hans Heyse (geb. 8.3. 1891) war schon vor der Machtergreifung Ordinarius in Königsberg.81 Hönigswald hatte ihm 1925 zur Habilitation verholfen. Heyse hat den Umstand, daß dieser Nichtarier war, vermutlich als Schwachpunkt interpretiert, der besondere Kompensationsleistungen erforderte. Zumindest könnte da einer der Gründe zu suchen sein für sein erst nach der Machtergreifung einsetzendes NS-Engagement. Von Oktober 1933 bis März 1935 war er Rektor der Universität Königsberg, bevor er 1936 als Nachfolger von Georg Misch nach Göttingen berufen wurde, obwohl die Vorschlagsliste der Fakultät (1. Stelle: Heidegger, 2. Stelle: Glockner) ihn ungewöhnlicherweise explizit ,,unterläßt [...] zu nennen". Unter voller Ausnutzung des noch neuen Führungsprinzips haben dann Dekan, Rektor und Minister gegen diesen Kommissionsvorschlag Heyse in Göttingen durchgesetzt. 1935 wurde Heyse in den wissenschaftlichen Ausschuß der historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke Nietzsches im Nietzsche-Archiv in Weimar berufen. Von allen Herausgebern der neuen Kant-Studien war Heyse am wenigsten festgelegt. Selbst die SS-Wissenschaftler der Uni München bemühten sich um ihn,82 allerdings vergeblich.
Günther Lutz (geb. 5.8.1910) war von Jugend an Nationalsozialist. Im September 1927 gründete er die erste pommersche Hitlerjugend in Stettin. Am 1.11. 1927 wurde er HJ-Gauleiter von Pommern/Grenzmark, 1929 Kulturreferent in der Reichsleitung der HJ. 1931 gründete er das ,,Jungwerk" (Deutsche Tatjugend), dessen Gauführung er gleichzeitig übernimmt. Er erhielt das Goldene HJ-Ehrenzeichen, gründete 1930 den NS-Schülerbund in Stettin, trat am 1.4.1931 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 516786) sowie am 1.3.1933 der SS. Von April bis November 1931 gehörte er auch der SA an. Seine zahlreichen politischen Aktivitäten bezahlte er mit zweimaligem Sitzenbleiben in der Schule. Nach dem Philosophiestudium promovierte er am 25.7.1936 und war zunächst Volontärassistent in Greifswald.83
Lutz’s Tätigkeit für den SD setzten schon vor August 1935 ein. Von 1937-38 war Lutz sogar als Referent im SD-Hauptamt tätig, wo er sich aber nicht bewährte. Am 1.4.1938 wurde er mit einer Dozentur für Philosophie an der Universität Greifwald beauftragt. Ab 1.10.1942 arbeitete er als Obergruppenleiter der Hauptstelle „Wissenschaftliches Schrifttum" im Amt ,,Wissenschaftsbeobachtung und -wertung" des Amtes Rosenberg. Noch vor August 1940 übernahm er das Referat ,,Wissenschaftliches Schrifttum" im Propagandaministerium. Bevor Lutz die Kant-Studien mitherausgab, war er in Zusammenarbeit mit Walther Wüst vom SS Ahnenerbe von 1940 an Schriftleiter der Propaganda Zeitschriften ,,Deutscher Wissenschaftlicher Dienst" und ,,Europäischer Wissenschafts-Dienst".84 Die einzige philosophische Publikation von Lutz ist Nietzsche gewidmet.
Ferdinand Weinhandl (geb. 31.1.1896) stammte aus Österreich. Er war zu Beginn des Dritten Reiches nichtbeamteter außerordentlicher Professor in Kiel und beerbte 1935 den von Richard Kroner freigemachten Lehrstuhl ebenda. Von Gründung der NSD-Akademie in Kiel an war er deren Leiter. 1942 folgte er einem Ruf nach Frankfurt am Main als Nachfolger von Hans Lipps. Ende 1944 kehrte er als Ordinarius in seine Grazer Heimat an die dortige Universität zurück.
Auch Weinhandl muß als Altnationalsozialist bezeichnet werden. Er war Fachschaftsleiter in Rosenbergs ,,Kampfbund für Deutsche Kultur" von dessen Gründung 1929 an. Er trat am 1.5.33 in die NSDAP (Mitgliedsnummer 2730351), ), im August 1933 in den NS-Lehrerbund und im November 1933 in die SA ein. Er betätigte sich bei der SA-Standarte R 187 als Referent für weltanschauliche Schulung. In Kiel war er überdies Mitarbeiter des ,,Kampfrings der Deutsch-Österreicher im Reich". Seit Gründung der Fachgruppe Philosophie im ,,Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften" 1940 hatte er deren Oberleitung inne. Der Sammelband mit Vorträgen von ihm unter dem Titel Philosophie – Werkzeug und Waffe85 war der erste mehrerer von dieser Gruppe hervorgebrachter Bücher. Ab 1943 war Weinhandl Leiter des Einsatzstabes ,,Bolschewismus" in Rosenbergs ,,Wissenschaftlicher Kampf gegen die feindlichen Ideologien". In Rosenbergs ,,Zentrale für Ostforschung" wurde er zugleich als Leiter des Arbeitsbereichs ,,Ideologie des Ostraums (bolschewistische Philosophie)" vorgeschlagen. Später, als Rosenberg sich über ,,Institut zur Erforschung des Bolschewismus" zu der Bezeichnung ,,Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der bolschewistischen Weltgefahr" durchtingt – selbst der Begriff ,,Erforschung" in dieser Bezeichnung täte eigentlich dem Bolschewismus noch zu viel Ehre an –, treten Faust und Haering an seine Stelle.
Das von Günther Lutz formulierte Vorwort zu den neuen Kant-Studien knüpft an das von Heft 1 des ersten Jahrgangs aus der Feder Hans Vaihingers an und mündet in folgender Zielsetzung:

,,Die fruchtbare Spannweite des interkontinentalen Gedankenaustausches einerseits, die Tiefe und Gründlichkeit deutschen Geistes und deutscher wissenschaftlicher Besinnung andererseits. Die Gemeinsamkeit des philosophischen Gesprächs und die Gründlichkeit der philosophischen Besinnung, symbolisch verkörpert im Namen und Werk Kants, werden sich treffen in dem Bemühen, in diesen Blättern ein klärendes Bild zu geben von den geistig-seelischen Gestaltungskämpfen unserer Zeit. – Und wenn die Kant-Studien mir diesem Ziel und diesen Wünschen nach einer vierjährigen Unterbrechung, – die durch rein verlegerische Umstellungsschwierigkeiten bedingt war –, nunmehr mitten im großen Kriege, zu einer Zeit, in der alle physischen und seelisch-geistigen Kräfte auf den totalen Kriegseinsatz ausgerichtet sind, erneut wieder erscheinen, so soll diese Tatsache zweierlei bezeugen: – Erstens, daß der deutsche Geist lebendiger und fruchtbarer ist denn je, und zweitens, daß mit dieser Erscheinung der Aufbruch einer neuen europäischen Gemeinschaft unmittelbar verbunden ist. – In diesem Sinne gilt es, ein verpflichtendes Erbe zu erhalten und zu gestalten."86

So sehr dieses Vorwort für sich selbst spricht, so wichtig scheinen uns doch einige Erläuterungen:
(1) Selbst wenn die neuen Kant-Studien 1942 erschienen wären, wogegen – wie ausgeführt – vieles spricht, käme man immer noch auf eine fünfjährige Pause. Wir waren der Wahrheit deutlich näher, wenn wir für diese Pause mehr als die Hälfte der Zeit veranschlagen, die das Dritte Reich überhaupt dauerte.
(2) Nicht besser verhält es sich mit den ,,rein verlegerischen Umstellungsschwiengkeiten". Natürlich sind mit dem Wechsel von Metzuer zu Bimbach – wie bei Verlagsveränderungen üblich – sicherlich auch Umstellungsschwierigkeiten verbunden gewesen. Aus dem Umstand, daß alle die Aktivitäten zwischen 1937 bis 1943, auf die wir oben eingingen und von denen nicht einmal behauptet werden kann, das sei alles gewesen, in diesem Vorwort nicht mit einem einzigen Wort erwähnt werden, läßt sich schließen, daß es hier allerhand zumindest Nicht-Vorzeigbares zu verbergen gab.
(3) Die Rede von ,,Spannweite", ,,Gedankenaustausch" und ,,Gespräch" sind sicher Konzessionen an den fachspezifischen Diskurs der Philosophen. Es sollte aber darüber hinaus nicht verkannt werden, daß ihr Sinn auch von den Begriffen ,,Gestaltungskämpfe" und ,,totaler Kriegseinsatz" mitbestimmt wird.
(4) Der totale Krieg wurde am 18.2.43 von Goebbels ausgerufen. Der Begriff ist aber älter. Zumeist wird er auf Erich Ludendorff zurückgeführt.87 Er läßt sich in unserem Zusammenhang also nicht für Datierungsfragen ausschlachten, obwohl er nach der ,,Sportpalastrede" seines Chefs sicher auch Lutz schneller über die Lippen ging.
(5) Der Hinweis auf die Wirkung von Organisationen und ihren Organen im Ausland war im Dritten Reich immer wichtig. Er verschaffte diesen im besten Fall mehr Handlungsspielraum. Die Artikel und Aktivitäten der Beiträger bzw. Mitglieder mußten in solchen Fällen nicht allzu energisch auf Linientreue in nationalsozialistischem Sinn kontrolliert werden, was ja für Herausgeber und andere leitende Personen immer auch eine Menge lästiger Mehrarbeit bedeutete. Es war sogar unerwünscht, wenn Wissenschaftler im Ausland z.B. auf Kongressen weltanschauliche Themen ansprachen.88 Ausländischer Respekt vor deutschen Leistungen wurde im Inland bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit eitel oder auch verdeckt mit dem Hinweis, daß sogar das oder dies Land diese zu würdigen wußten, arrogant registriert. Umgekehrt reagierte man auf Kritik aus dem Ausland erstaunlich empfindlich.
Obwohl Hitler den Europagedanken bis zum Schluß abgelehnt zu haben scheint, steht letzterer in Staat und Partei, und damit auch in der Wissenschaft dieser Zeit, in der Tat im Mittelpunkt.89 Es scheint Rosenberg gewesen zu sein, der von allen führenden Personen des Dritten Reichs den Europagedanken als erster und das schon vor der Machtergreifung und bis zum Schluß am intensivsten gepflegt zu haben scheint.90 Ob er allerdings die Wandlung des Gedankens von einem Europa unter germanisch-deutscher Vorherrschaft hin zu einem Europa prinzipiell gleichberechtigter Völker mitgetragen hat, wie es unter dem Eindruck nachlassenden Kriegsglücks 1944 in seiner Umgebung vor allem von dem ehemaligen Gesandten Werner Daitz91 und dem Leiter der Kontinentaleuropäischen Forschung beim Ostministerium Alexander Nikuradse92 oder auch im Sicherheitsdienst93 vor allem von Franz Alfred Six94 und Alexander Dolezalek93 konzipiert wurde, ist freilich zu bezweifeln. Die Durchmischung des Begriffs ,,interkontinental" und ,,europäische Gemeinschaft" mit solchen wie ,,deutscher Geist" in dem Vorwort Günther Lutz verrät die Sprache des alten faschistischen Europabegriffs.
 

Ausblick

Die Verfasser dieses Artikels beanspruchen nicht, die Kant-Studien abschließend erforscht bzw. die Forschungsergebnisse zu diesem Themenbereich vollständig mitgeteilt zu haben. Insbesondere eine Geschichte der Kant-Gesellschaft auch im 3. Reich steht noch weitgehend aus. So gut wie nicht erforscht ist auch die Geschichte der Kant-Studien nach 1945. Wir teilen zu letzterer hier nur einige Erkenntnisse mit, die unserer Meinung nach für diese auf jeden Fall Berücksichtigung finden müßten. Sie sind an dieser Stelle erforderlich, weil eine Darstellung der Vorgänge im 3. Reich ohne einen Ausblick auf die Nachkriegszeit dem Vorurteil unnötig Vorschub leisten würde, das dritte Reich sei nur ein Spuk ohne Auswirkungen gewesen bzw. die Geschichte der Kant-Studien in dieser Zeit nur ein düsteres Zwischenspiel, das man am besten vergißt. Unsere diesbezüglichen Ausführungen beruhen auf Stichprobenforschungen, die einerseits genügen, um Zweifel an verbreiteten Legenden zu begründen, die aber andererseits noch durch weitere Forschungen erhärtet werden müssen.
Der erste Nachkriegsband der Kant-Studien kam – ungewöhnlich spät – 1954 in Köln aus Anlaß der 150. Wiederkehr von Kants Todestag heraus.96 Von diesem Zeitpunkt an erschienen die Kant-Studien jährlich. Die ersten Nachkriegsherausgeber waren Paul Menzer und Gottfried Martin. Zu Menzer sei auf das Obenerwähnte verwiesen. Die Initiative scheint eindeutig von Martin ausgegangen zu sein. Martin promovierte bei Heidegger und habilitierte sich 1940 – offenbar nach einem Dissens mit seinem Doktorvater – bei Heimsoeth in Köln, der in der ,,Deutschen-Philosophischen Gesellschaft" eine hervorgehobene Stellung innehatte. Martin gehörte der NSDAP seit 1. Mai 1937 an.97
Die Kant-Studien wurden ,,unter Mitwirkung" einer Vielzahl Gelehrter aus mehreren Ländern ediert. Die Mischung von NS-Verstrickten und antinazistischen Emigranten unter diesen ist bemerkungswert. Einerseits Philosophen, die sich in der NS-Zeit mehr oder weniger kompromittierend im Sinne der NS-Ideologie geäußert und betätigt hatten – so Otto F. Bollnow, Hermann Glockner, Herman J. de Vleeschauwer oder Max Wundt – 98 und die sich eine Aufpolierung ihres ramponierten Rufes von der Mitwirkung bei den Kant-Studien erhoffen konnten. Anderseits verfolgte Emigranten wie Richard Kroner und Paul Tillich, deren klangvolle Namen auch problematische Hintergründe auszulöschen versprachen. Eine öffentliche Aufarbeitung der Vergangenheit der ersteren Gruppe scheint nicht zu den Bedingungen gehört zu haben, die die letztere stellte.
 
 
 
 

Anmerkungen
1 Unter unseren zahlreichen Mitarbeitern ist vor allem Matthias Veil auf verschiedenen Arbeitsebenen zu danken. Unter den mehr als 70 inspizierten Archiven haben wir im Bezug auf das Thema vor allem den Bundesarchiven in Potsdam und Koblenz und dem BDC zu danken. –Folgende Abkürzungen werden gebraucht:
AE Ahnenerbe (Wissenschaftliche Einrichtung der SS)
APA Außenpolitisches Amt (der NSDAP)
ARo Amt Rosenberg (= Dienststelle des Beauftragten des Führers für die gesamte geistige  und weltanschauliche Schulung und Erziehung der NSDAP)
BAHo Bundesarchiv-Zwischenarchiv Dahlwitz-Hoppegarten
BAK Bundesarchiv Koblenz
BAPo Bundesarchiv Potsdam
BDC Berlin Document Center (in Kürze: Bundesarchiv Berlin-Zehlendorf)
HJ Hitlerjugend
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
NSDDB Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund
REM Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
RSHA Reichssicherheitshauptamt
SD Sicherheitsdienst der SS
SS Schutzstaffeln der NSDAP

2 Die Umstände müßten noch eingehend recherchiert werden. Die Angaben in diesem Absatz entstammen den Satzungen vom 28.1.1905, von denen eine Abschrift mit den Anderungsbeschlüssen vom 22.4.1907 im BA Potsdam zu finden ist. BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 152–158.
3 In welchem Ausmaße Vaibinger Gedankengut des älteren Wittgenstein vorwegnimmt, ist unseres Wissens bisher nicht erforscht. Zu Vaihinger vgl. Klaus Hentschel: Interpretationen und Fehlinterpretationen der speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie durch Zeitgenossen Albert Einsteins. Basel etc.: Birkhäuser 1990, S.276ff. (= Science Networks Historical Studies 6). Walter Del Negro: Hans Vaihingers philosophisches Werk mit besonderer Berücksichtigung seiner Kantforschung. Kant-Studien 37, 1934, 316–327.
4 Siehe Walter Wienert (Bearbeiter): Chronik der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin. Bd.1 (April 1932 bis März 1935) Berlin o. J., S.39. Verfolgte Berliner Wissenschaft... zusammengestellt von Rudolf Schottlaender. Berlin 1988, S.127–8. S. auch Strauss/Röder: International Biographical Dictionary of the Central European Emigration, vol. II, p. 672.
5 Kuhn konnte seine Position als Privatdozent auf Grund der ,,Frontkämpferregelung" im Gesetz für die ,,Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7.4.33, nach der die Frontkämpfer unter den Nichtariern von der Entfernung aus dem Amt vorläufig ausgenommen wurden, bis 31.12.35 aufrechterhalten. S. Universitätsarchiv der Humboldt Universität Berlin, Personalakte 421 (Kuhn).
6 Satzungen der Kant-Gesellschaft, 24.5.34, BAPo 49.01 REM 2608, Blatt 174.
7 Tromp an Löpelmann, 26.6.35, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 54. Tromp an Amtsgericht Halle, 12.7.35, ibid. Blatt 71.
8 Der offizielle Name des Amtes Rosenberg war ,,Dienststelle des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP".
9 Aktenvermerk Schaefer für Baeumler, 9.10.34, Institut für Zeitgeschichte München MA609 Blatt 56655 ff.
10 Ibid., S. auch Löpelmann an Abt. Verbände, 10.10.34, ibid. Blatt 56658, was Löpelmann nicht daran hindert, alsbald auch im Vorstand wieder mitzumischen. Löpelmann an Koellreutter, 17.6.35, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 34.
11 Löpelmann an Bacher, 24.10.o. J. [1934], BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 3.
12 Nr.265/420 vom 15.10.34.
13 In dem Artikel The German Church War, New Statesman, 17.11.34. Ein ähnlicher Artikel S. ,,Times" 14.11.34, S.13. Auch der Straßburger Sender schaltet sich ein. Siehe Bericht Tromp, 4.3.36, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 122.
14 BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 5ff.
15 Mohrmann an Heyse, 23.10.35, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 90.
16 Für dies und die folgenden zwei Sätze s. Podewils – Deutsche Gesandtschaft Luxemburg an das Auswärtige Amt, 7.2.36, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 106.
17 Die Austrittsbewegung wird allerdings umgedeutet in einen Reinigungsprozeß. Ohne Verfassernamen an Heyse, 15.2.36, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 101.
18 Im Juni 1936 waren 2700 Abmeldungen festgehalten worden. 1284 Mitglieder verblieben der Kant-Gesellschaft noch. Bericht Karich, 30.6.36, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 170. Im März 1938 sind es nur noch 1075 Mitglieder, davon immerhin noch 415 Ausländer aus 33 Staaten. Metzner an Baeumler, 16.3.38, Institut für Zeitgeschichte München MA-609, Blatt 56625–7.
19 Burmeister an Löpelmann, 29.135, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 14.
20 Protokoll von einer Besprechung zwischen Emge, Baeumler, Mattiat und Engel vom 20.5.35, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 50.
21 Metzner an Schaefer, 18.12.35, Institut für Zeitgeschichte München MA-609, Blatt 56653. Husserl hatte einen Artikel zu Heft 1 von Lieberts ,,Philosophia" beigetragen. Zu Liebert und Kuhn S. vor allem Konrad Lotter: Exil und Rückkehr. Deutsche Philosophie vor und nach 1945. Der Widerspruch 18, 10–25 Zu Hans Driesch s. ein Gutachten aus dem Amt Baeumlers (,,rabiater Philosemit und Pazifist") vom 28.10.36, BAK NS 15/199 Blatt 220 (= 0344530).
22 Ein Aufruf zur Gründung einer internationalen philosophischen Gesellschaft vom Februar 1936 wird auch dem REM bekannt. BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 109. Im Vorstand dieser Gesellschaft finden wir klangvolle Namen: George E. Moore (Cambridge), Karl Bühler (Wien), Ernst Cassirer (Göteborg), Hans Reichenbach (Istanbul), Paul Tillich (New York) und viele andere, vor allem Emigranten.
23 Metzner an REM, 8.4.37, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 197.
24 Oster an REM, 17.12.34, BAPo 49.01 REM 2608, Blatt 10. Burmeister an Löpelmann, 29.1.35, ibid. Blatt 14. Löpelmann vom REM, der Baeumler vom Amt Rosenberg nicht einmal bereit ist zu empfangen, ist der gleichen Auffassung, hat aber Schwierigkeiten, sie in seinem Ministerium durchzusetzen. Löpelmann an Mattiat, 3.6.35, ibid. Blatt 52.
25 Ohne Verfassernamen [Mitglied des REM] an Heyse, 15.2.36, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 100-1. Metzner an Mattiat, 24.6.36, ibid. Blatt 135.
26 Burmeister an Hinz, 9.7.36, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 137.
27 Heyse an REM, 24.7.36, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 139.
28 Metzner an REM, 26.1.38, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 264 u. ö.
29 Aktenvermerk Schaefer, 9.1.35, BAK NS 15/291 Blatt 56654. Heyse an APA, 24.7.36, ibid. Blatt 56651–2.
30 Protokoll Löpelmann, 24.6.35, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 63. Mollowitz an NSDAuskunftsamt für Assistentenstellen, 13.7.37, Personalakte Mollowitz BDC.
31 Er tritt am 1.5.1937 der NSDAP bei. Personalakte Metzner, BDC. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Aufnahme in die Partei zu diesem Zeitpunkt besonders strengen Kriterien unterlag. Siehe dazu Hans Buchheim: Mitgliedschaft bei der NSDAP in: Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte, Band 1. München, 1958, S.313-322. Auch: Who was a Nazi? Compiled by 7771 Ducument Center. OMGUS, 1947.
32 Vorschlagsliste ohne Verfassernamen und ohne Datum (12.11.36), Institut für Zeitgeschichte München MA-609 Blatt 56647.
33 Für dieses und den folgenden Satz: S. Rundbrief Buttmann, ohne Datum [vor 9.1.39], Genetallandesarchiv Karlsruhe 237/39152 u. ö.
34 Der Vorschlag, der schon in der neuen Satzung berücksichtigt worden war, wurde vor allem von Emge vertreten. Protokoll Mattiat, 20.5.35, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 50.
35 Siehe Werner Picht/Eugen Rosenstock-Huessy: Im Kampf um die Erwachsenenbildung 1912–1926. Leipzig 1926.
36 Ein Exemplar des Programms des Kongresses liegt im BAPo 49.01 REM 2940 Blatt 145–153.
37 So erhält z.B. Husserl nicht die Genehmigung, am Pariser Kongreß teilzunehmen. Aktenvermerk Dahnke, 1.6.37, BAPo 49.01 REM 2940 Blatt 94. Man fürchtet, daß ihm wie in Prag 1934 Ovationen entgegengebracht werden, was die Nationalsozialisten auf sein Judentum bezogen und entsprechend als NS-feindlich auslegten. Für diese und die folgenden nicht belegten Tatsachenaussagen s. den undatierten Bericht Gerhard Lehmanns als Anlage zu Lehmann an Mattiat, 9.8.37, BAPo 49.01 REM 2940 Blatt 240–2.
38 Aktenvermerk Dahnke, 16.6.37, BAPo 49.01 REM 2940 Blatt 219.
39 Zu Lehmann s. den Rehabilitationsversuch von Wolfgang Ritzel in den Kant-Studien 71, 1980 und die Kritik von Wolfgang G. Yerer: Charakter als Politicum (Privatdruck, s. das Referat in: Information Philosophie 4, Okt.1990, 61 f.).
40 Gerhard Lehmann: Die deutsche Philosophie der Gegenwart. Stuttgart: Kröner 1943, IX.
41 Für dies und das Folgende: Bericht Lehmann, ohne Datum [vor 9.8.37], luc. cit.
42 Aktenvermerk Dahnke, 17.7.37, BAPo 49.01 REM 2940 Blatt 227.
43 Wigersma am Rande von Lehmann hinzugefügt, ,,z.B." von uns erschlossen. Wigersma publiziert später im 2. Weltkrieg in den Kant-Studien.
44 Bericht Lehmann, loc. cit.
45 Ibid.
46 Siehe Michael Kater: Das ,,Ahnenerbe" der SS 1935–1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches. Stuttgart 1974. Vgl. auch Gerd Simon: Sprachwissenschaft im III. Reich, in: Politische Sprachwissenschaft. Hg. von Franz Januschek. Opladen 1985, S.97–141.
47 Kater, Das ,,Ahnenerbe", 63.
48 lbid., 39 u. ö.
49 lbid., 231ff. und 245ff.
50 Siehe dazu ausführlicher in Gerd Simon: Der Krieg als Krönung der Wissenschaft (in Arbeit)
51 Zu diesem und dem folgenden Satz s. Heinz Boberach: Einleitung, in: derselbe (Hg.): Bericht des SD und der Gestapo über Kirchen und Kirchenvolk in Deutschland 1934–1944. Mainz 1971, S. XXX.
52 Eine Struktur des Amtes III im SD, die in der Akte ZR 535 A 4 Blatt 426 im BAHo überliefert ist, aber vermutlich aus der Zeit nach 1945 stammt, weist irrtümlich der Unterabteilung A 11 die Aufgaben ,,Philosophie-Weltanschauung-Geschichte" zu.
53 Zu diesem und dem Rest des Kapitels: George Leaman/Gerd Simon: Deutsche Philosophen aus der Sicht des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS – Dossier Kurt Schilling, in: Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1992. Hg. von Carsten Klingemann, Michael Neumann, Karl-Siegbert Rehberg, Ilja Stubar, Erhard Stölting. Opladen 1994, S.273–292.
54 Hönigswald gehörte zu den Emigranten, bei denen die Nationalsozialisten nachhalfen, indem sie sie zuvor in ein KZ steckten. Siehe dazu Gerd Wolandt: Richard Hönigswald. Zur Geschichte der deutschen Philosophie 1933–1947, in: Judentum, Antisemitismus und europäische Kultur. Hg. von Hans Otto Horch. Tübingen 1988, S.333–353.
55 Nach Gadamer überschritt Schilling in seiner Frühphase sogar gelegentlich ,,die Grenze eines Heidegger-Plagiats". Gadamer an Otte, 27.4.87. Privatarchiv Rainer Otte.
56 Eine gewisse Rolle spielte sicher auch der vom Amt Rosenberg ausgehende Gegendruck, das wenig später auf Schloß Buderose eine Philosophentagung abhielt. Siehe George Leaman: Deutsche Philosophen und das ,Amt Rosenherg', in: ,,Die besten Geister der Nation". Philosophie und Nationalsozialismus. Hg. von Ilse Korotin. Wien 1994, S.41–65.
57 Darüber wird zu berichten sein in: Gerd Simon: Germanistik in den Planspielen der SS [Arbeitstitel].
58 Niederschrift über die Besprechung mit dem AE, 1.9.38, BAHo ZM 1582 A 4 Blatt 18ff. (21313ff.).
59 Zu diesem und dem Folgendem s. Lebenslauf Schmidt, 5.12.41, Personalakte Schmidt, BDC, Bestand RuSHA (= Rasse- und Siedlungshauptamt der SS).
60 S. Personalakte R. Schmidt, BDC.
61 Rudolf Birnbach, geb. 24.7.1895, Mitglied der NSDAP seit 1.5.33 (Nr. 2996010). Personalakte Birnbach, BDC.
62 Birnbach an REM, 7.7.41, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 303.
63 Birnbach an REM, 18.8.41, ibid. Blatt 313.
64 Ibid.
65 Bescheinigung REM, 17.9.41, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 331. Roth an PAN-Verlag, 23.9.41, ibid. Blatt 332.
66 Kleinschnieder an Leaman, 2.12.92, Privatarchiv Leaman.
67 Siehe Manfred Overesch: Das Dritte Reich 1939–1945, in: Chronik deutscher Zeitgeschichte, Bd. 2, II, Düsseldorf 1983, 458, sowie Heinz Bergschicker: Deutsche Chronik 1933–1945. Berlin 1981, S.444ff.
68 BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 318–330.
69 Raymund Schmidt: Das Judentum in der Philosophie. In: Theodor Fritsch: Handbuch der Judenfrage. Die wichtigsten Tatsachen zur Beurteilung des jüdischen Volkes. 45. Auflage Leipzig 1939, S.391–401.
70 Ibid., S.399.
71 Birnbach an REM, 7.7.41, BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 303.
72 BAPo 49.01 REM 2608 Blatt 307–9. Hervorhebung durch Kursivdruck im Original.
73 Siehe dazu Gerd Simon: Die ,Berliner Schnauze' in den Forschungen einer Offensivrassistin. (unveröffentlichtes Manuskript)
74 Siehe dazu Rüdiger Kramme: LOGOS 1933/34. Eine Abwicklung, in: v.Wollzogen (Hg.): (im Erscheinen).
75 Wir werden auf diese Pläne in einer eigenen Produktion ausführlich eingehen.
76 E. May: Der Gegenstand der Naturphilosopbie. Kant-Studien 42,1942/43, 146-175.
77 Mit Schreiben Gross an Mentzel, datiert vom 18.8.43. Eingang am 23.9.43, BAPo 49.01 REM 2611, Blatt 15, legt das ARn dem REM den ersten Band (d.h. Heft 1–3 von Folge 42) der neuen Kant-Studien vor. Ein solches Schreiben wäre sehr merkwürdig, wenn das Erscheinungsdatum dieses Bandes schon länger als einen Monat zurückgelegen hätte. Im Gegenteil, solche Präsente macht man in der Regel mit den ersten Exemplaren, die frisch von der Presse kommen. Das Amt Rosenberg scheint überhaupt erst im April 1943 mit nennenswerten Vorarbeiten für die ,Kant-Studien‘ zu beginnen. – ARo-Hausrundschreiben 40/43, 18.5.43, BAK NS 15/100, S.14. Der entsprechende Bericht vom März hält jedenfalls keine entsprechenden Aktivitäten für festhaltenswert.
78 Ibid.
79 Ibid.
80 Zu diesem und den folgenden drei Absätzen 5. George Leaman: Heidegger im Kontext.
Gesamtüberblick zum NS-Engagement der Universitätsphilosophen. Hamburg 1993.
81 In der Kurzbiographie Heyses haben wir verarbeitet: Hans Joachim Dahms: Aufstieg und Ende der Lebens philosophie: Das philosophische Seminar der Universität Göttingen zwischen 1917 und 1950, in: Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus. Das verdrängte Kapitel ihrer 250jährigen Geschichte. Hg. von H. Becker, H.-J. Dahms, C. Wegeler. München 1987, vor allem S.185 ff.
82 So Rektor Wüst und Dekan Dirlmeyer laut Aktenvermerk Frey, 24.9.43, Personalakte Grunsky BDC Blatt 14 und Hinz an Frey, 1.2.44, ibid. Blatt 19. Heyse sollte mit Grunsky tauschen, der sich in der gesamten Fakultät durch seine Attacken gegen den Literaturwissenschaftler Herbert Cysarz unbeliebt gemacht hatte. Das REM wollte am liebsten auch noch Faust auf den anderen gerade von Schilling vertretenen Lehrstuhl berufen. Das wäre aber kaum im Sinne von Wüst gewesen. Zu den Einzelheiten s. Claudia Schorcht: Philosophie an bayerischen Universitäten 1933–1945. Erlangen 1990, S.253 f.
83 Thema der Dissertation: Die Frontgemeinschaft – (Das Gemeinschaftserlebnis in der Kriegsliteratur). Rigorosum am 24.2.36.
84 Ab 1942 wirkten an dieser Zeitschrift auch Wilhelm Ziegler (Propagandaministerium), Rudolf Mentzel (DFG), Paul Ritterbusch (REM), Gustav A. Scheel (Reichsstudentenführer), Ludwig Siebert (Deutsche Akademie) und Theodor Vahlen (Reichsakademie der Wissenschaften) sowie ab 1944 Walter Gross (Amt Rosenberg) mit.
85 Neumünster 1940. Der Sammelband enthält in der Mehrheit Vorträge, die vor Ktiegausbruch gehalten worden waren.
86 G[ünther] L[utz]: Zur neuen Folge. Kant-Studien 42, 1–3, 1942/43, 2.
87 So Christian Zentner/Friedemann Bedürftig (Hg.): Das große Lexikon des zweiten Weltkriegs. München 1988, S.564.
88 Merkblatt REM, ohne Datum [1940?], BAPo 49.01 REM 3025 Blatt 259–260.
89 Zu diesem Punkt s. Fritz Prinhorn (Hg.): Die Europa-Bibliographie. Leipzig 1941ff. Die Bibliographie ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen der ,,Gesellschaft für Dokumentation" und dem SD. Aktenvermerk RSHA III C 4-b-8' 5.12.41, BAHo B 1 497 Blatt 163–4. S. dazu Gerd Simon: Tödlicher Bücherwahn. Ein Wiener Universitätsrektor und der Tod seines Kollegen Norbert Jokl. (im Druck). Zur Europaidee s. Paul Kluke: Nationalsozialistische Europaideologie. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte [= Zeitschrift des Instituts für Zeitgeschichte] 3, 1955, 240–75. Vgl. auch Klaus Dollinger (Hg.): Signal. Faksimilequerschnitt. München, Bern, Wien: 1969. Hans Werner Neulen: Eurofaschismus und der zweite Weltkrieg. Europas verratene Söhne. München 1980. Derselbe: Europa und das 3. Reich. Einigungsbestrebungen im deutschen Machtbereich 1939–45. München 1987. Neulen wäre durch viele Archivalien zu ergänzen und zu korrigieren. Zu kritisieren sind vor allem die theoretischen Grundlagen. Neulens Argumentation geht in die Richtung: ,,Hätte Hitler doch auf die Fachleute im Amt Rosenberg und im SD gehört." Sie bewegt sich damit im Rahmen jener hilflos antifaschistischen Publikationen über das Dritte Reich, die nicht einmal naheliegende praktische, insbesondere kriegsverlängernde Auswirkungen dieser konjunktivischen Visionen erfassen.
90 Seine Europa-Ideologie trug Rosenberg schon 1932 auf dem Europa-Kongreß in Rom vor. Siehe auch seine Rede Europa der Norden und Deutschland auf dem Lübecker Markt 31.5.34, BAK NS 8137 Blatt 193–209.
91 Werner Daitz steht spätestens seit September 1942 mit Rosenberg in Verbindung. Rosenberg an Bormann, 8.9.42, BAK NS 8/187 Blatt 81. Er ist der Leiter des ,,Europa-Instituts" in Dresden, der ,,Gesellschaft für europäische Wirtschaftsplanung und Großraumwirtschaft" und bemüht sich um ein ,,Groß-Europa Amt". Seine Vorstellungen, Denkschriften und Entwürfe finden sich vor allem in BAK NS 8/224. Vgl. auch Daitz: Wiedergeburt Europas durch europäischen Sozialismus. Europa-Charta. Amsterdam 1944.
92 A. Nikuradse steht spätestens seit 1941 mit Rosenberg in Verbindung. Nikuradse an Rosenberg, 8.3.41, BAK NS 8/250 Blatt 12. Die meisten seiner Vorstellungen, Denkschriften und Artikel finden sich ebenda. Nikuradse arbeitete auch mit dem SD zusammen. Aktenvermerk Nikuradse, ohne Datum [1944], BAK NS 8/252 Blatt 79.
93 Im SD arbeitete man spätestens seit September 1941 an dem Thema. Six an Levin, 25.9.41, BAHo ZR 550/1 Blatt 526. SD und SS-Ahnenerbe arbeiten noch im März 1945 an dem Thema. Aktenvermerk Schneider, 7.3.45, BAK NS 31/416 Blatt 83. Aktenvermerk RSHAIII C 2a, 14.3.45, ibid. Blatt 81–2.
94 F.A. Six: Das Reich und Europa. Berlin 1943 (Europäische Politik, 5). Derselbe: Europa. Tradition und Zukunft. Hamburg 1944.
95 Dolezalek war Leiter einer Dienststelle im RSHA. Auch er entwickelte eine Europa-Charta, abgedruckt in Neulen, 1987, 165–170.
96 Kant-Studien, Band 45, 1953/54. Kant starb am 12.2.1804.
97 Mitglieds-Nr. 4708 632; Personalakte Martin, BDC.
98 Bollnow war Mitglied von Rosenbergs ,,Kamfbund für deutsche Kultur" seit Juni 1933 und wurde ab 1.6.1940 Mitglied der NSDAP; siehe dazu Leaman: Heidegger im Kontext, 1993, 5. 32f. Zu Hermann Glockner s. Leaman, ibid., S.42; auch Rüdiger Kramme: Logos 1933/34. Eine Abwicklung, in: von Wollzogen (in Kürze). Glockners Gebrauch von völkisch und rassistisches Ideengut ist in seinem Vom Wesen der Deutschen Philosophie, 1941, und in dem Artikel Vom Standort der Philosophie in Deutschland, in: Europäischer Wissenschafts-Dienst, 5.4.42, S.7–9, dokumentiert. Eine detaillierte Studie über Glockners Beziehung zum Nazismus wird in unserer Reihe Deutsche Philosophen aus der Sicht des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS, die im Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1992, S.260–292, begonnen wurde, veröffentlicht werden. Herman Jean de Vleeschauwer war Generaldirektor für das Hochschulwesen im Belgischen Unterrichtsministerium während des Krieges und wurde als ,,deutschfreundlich" von den zuständigen deutschen Militärbehörden betrachtet. Vgl. BAPo 49.01 REM 2941 Bl. 134; auch Leaman: Philosophy, Alfred Rosenberg and the Military Application of the Social Sciences in: Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1992, S.241–260. Max Wundts Schriften müssen in die Kategorie ,,Krassester Rassismus" eingeordnet werden. (V. a. Das Judentum in der Philosophie in: Forschungen zur Judenfrage II, 1937, S.75–87 sowie Die Wurzeln der deutschen Philosophie in Stamm und Rasse, 1944. Vgl. Leaman: Heidegger ..., 1993, S.88.